Technik Unscharfmaske

 

Glücklicherweise 'imitieren' im Bereich der digitalen Bildnachbearbeitung viele Programmschritte lediglich Vorgänge oder Effekte, die noch aus analogen Zeiten stammen. Diese Vorgänge sollten sich also leicht verständlich herleiten und erklären lassen.

Einen dieser Bearbeitungsschritte wollen wir uns einmal näher anschauen...

 

Die Unscharfmaske

Verkleinert man ein fertig bearbeitetes Bild auf 'betrachtbare Größe' (z.B. 1024 Pixel Breite), entsteht regelmäßig und zwangsläufig eine gewisse Unschärfe im Resultat (warum das so ist, werde ich zu gegebener Zeit in einem weiteren Kapitel erläutern).

Als letzter Bearbeitungsschritt ist also noch das Scharfzeichnen vorzunehmen. Dies geschieht am effektivsten mit einer sogenannten Unscharfmaske.

Wie bitte? Habe ich das richtig gelesen? Man generiert also Schärfe, indem eine unscharfe Maske (Maske = zweite Bildebene) über das Originalbild gelegt wird?

Das hört sich zumindest merkwürdig an, aber dieses aus der Analogfotografie stammende Verfahren funktioniert tatsächlich. Nur wie?

Das wollen wir Schritt für Schritt ergründen, indem wir nach guter Väter Sitte in Handarbeit eine Unscharfmaske basteln...

 

Schritt 1: der Probant

Basis für unser Experiment ist ein Schriftzug, der, wie könnte es anders sein, eine leichte Unschärfe aufweist. Stellen wir uns dieses Bild als hintergrundbeleuchtete getönte Folie vor, auf denen schwarze Buchstaben aufgemalt sind...

 

Schritt 2: die unscharfe Maske

Auf Basis unseres Originalbildes fertigen wir nun eine unscharfe Kopie an, indem wir selbiges Original (gedanklich) auf eine zweite Folie projezieren. Dabei liegt das Original nicht ganz im Fokus des Projektors. Die Kopie wird also absichtlich deutlich unschärfer als das Original.

Die Stärke dieser Unschärfe steuern wir in der elektronischen Bearbeitung über den Parameter Radius.

So, fertig ist die zweite Folie. Sieht eindeutig unschärfer aus...

 

Schritt 3: das Unscharf-Negativ

Aha, so langsam wird die zugrundeliegende Idee offenkundig....

Wenn ich von einer Unschärfe eine noch grössere Unschärfe subtrahiere, müsste eigentlich Schärfe dabei entstehen - und damit der Eindruck scheinbar besserer Auflösung bzw. Detailhaftigkeit.

Nur wie soll das mit unseren Folien funktionieren? Wenn wir beide Folien übereinander legen und gegen das Licht halten, addieren sich die Bildinhalte, und die Unschärfen überlagern sich.

Besser wird davon sicher nichts.

Wie können wir beim Übereinanderlegen subtrahieren?

Die Lösung ist genial einfach: wir fertigen ein Negativ der unscharfen Kopie an, denn einen negativen Wert zu addieren ist gleichbedeutend wie einen positiven Wert zu subtrahieren.

Das ist es!

Hier unser Negativ der unscharfen Kopie...

 

Schritt 4: die Hochzeit

Legen wir nun die Negativ-Maske auf das Orignalbild - zur besseren Vergleichbarkeit aber nur über die rechte Bildhälfte.

Für die Erläuterung der zu erwartenden Effekte unterstellen wir dabei zunächst, die Maske sei intransparent.

Die Stärke der Maskenwirksamkeit (in unserem Fall der Transparenz) wird in der elektronischen Bildbearbeitung über den Parameter Intensität gesteuert.

 

Was wird nun bei mehr oder weniger durchsichtiger Maske passieren? Dazu schauen wir uns das 'H' genauer an.

Am blauen Pfeil ist zu erkennen, dass durch die grössere Unschärfe der Maske der weiße Bereich weiter ins Feld ragt als der dunkle Bereich des Originals.

Da die Unschärfe der Maske auch 'nach innen' (= ins Buchstabeninnere) deutlicher ausgeprägt ist als beim Original, ist beim Original die vollständige Schwärzung schon früher erreicht als die vollständige 'Weißung' in der Unscharfmaske (gelber Pfeil).

 

Was hat das zur Folge? Zoomen wir dazu noch etwas näher heran.

Im Bereich des blauen Pfeils wird sich beim übereinanderlegen der Folien der weißeste Bereich bilden, da nur hier kein schwarz mehr vorhanden ist...

...während es im Bereich des gelben Pfeils am dunkelsten sein wird, denn weiter nach innen wird das weiß genauso intensiv wie das schwarz.

Es bildet sich also eine Kontrastkante von weiß zu schwarz - und genau darauf basiert der entstehende Schärfeeindruck!

 

Schritt 5: das Ergebnis

Genug der Worte. Machen wir die Probe aufs Exempel.

Die Maske wird nun als transparente Folie über das Original gelegt. Wollen doch mal sehen, ob sich diese Kontrastkante auch wirklich bildet.

In der Tat. Ein heller Bereich beim blauen Pfeil und ein dunkler Bereich beim gelben Pfeil.

 

Zoomen wir wieder zurück in die Totale und betrachten das Ergebnis...

 

Zur Veranschaulichung wurde die Transparenz der Folie viel zu niedrig gewählt (das heißt, die Intensität der Maske viel zu hoch). Das hat eine ausgeprägte Kontrastschwäche zur Folge.

Darum schrauben wir in der rechten Bildhälfte am Kontrastregler, bis beide Hälften einander angeglichen erscheinen...

 

 

Es funktioniert...

...aber dadurch, dass sowohl der Radius als auch die Intensität im vorliegenden Fall viel zu hoch gewählt wurden, entstehen unschöne sichtbare(!) Artefakte.

Diese entstehen immer, fallen aber in der normalen Bildbearbeitung nicht auf, denn dort geschehen diese Vorgänge in viel viel kleinerer Dimension (wenige Pixel).

Durch übertriebene Scharfzeichnung schafft man es aber dennoch problemlos bis zur störenden Sichtbarkeit. So wird der weiße Rand bei Bearbeitung nach dem Motto 'viel hilft viel' als störendes Kantenleuchten sichtbar (in der Eisenbahnfotografie gut an Fahrdrähten und Masten zu erkennen).

Es gilt also, das richtige Maß zu finden. Dabei lieber den Radius klein wählen und die Intensität hoch als umgekehrt (wir wissen jetzt ja auch warum, gell: dann ist nämlich das Kantenleuchten schmäler).

Weiterhin ist nun auch klar, dass durch die Unscharfmaske keinesfalls eine wirkliche Verbesserung in der Auflösung bzw. Detailtiefe entstehen kann.

Vielmehr handelt es sich lediglich um ein Spiel mit der menschlichen Wahrnehmung, dessen Schärfeempfinden auf kontrastreichen Kanten basiert.

 

Das ist doch mal wieder typisch Mensch: erfindet was, um sich selbst zu überlisten.

 

 

Doch nun...

Von der Theorie zur Praxis: die selbstgebaute Unscharfmaske soll nun ihre Wirksamkeit anhand eines 'echten' Fotos beweisen.

Als Ausgangsbild wählen wir ein Motiv, das über den gesamten Bereich mit Strukturen versehen ist und, man kann es sich schon denken, nicht besonders scharf daherkommt...

 

Nun fertige ich eine unscharfe Kopie an (genauer: Gaußsche Unschärfe mit Radius 0,6 Pixel)...

 

Diese Kopie wird in ein Negativ umgewandelt...

 

Nun legen wir die Maske auf das Ausgangsbild. Zur besseren Vergleichbarkeit nur über die rechte Bildhälfte. Die Deckkraft der Maske stelle ich dabei auf 35% ein.

Obwohl der Kontrast noch nicht angepaßt wurde, ist die Schärfung bereits zum jetzigen Zeitpunkt gut zu erkennen...

 

Im letzten Schritt spiele ich in der rechten Bildhälfte solange mit dem Helligkeits- und Kontrastregler, bis eine ungefähre Angleichung erreicht ist.

Beeindruckend, oder nicht?

Beachten Sie den Unterschied am Geländer beim Fluß und an den feinen Zweigstrukturen.

 

 

Schlusswort:

Ich hoffe, ich konnte Ihnen dieses interessante Thema auf gut verständliche Art vermitteln.

Sollten Sie noch immer Zweifel an der Wirksamkeit befallen, schlage ich folgendes vor:

Kopieren Sie das Originalbild und die unscharfe Maske aus meiner Abhandlung in Ihr Bildbearbeitungsprogramm (dazu lade ich herzlich ein) und experimentieren Sie damit nach Herzenslust.

 

In diesem Sinne wünsche ich allzeit scharfe Bilder.

 

 

 

 

 

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